Kritik am Informationsverhalten der Bahn und Sorge vor Kostenabwälzungen auf Gemeinden Kommunen koordinieren Standpunkt in Sachen ABS 38 – Altlandrat Steinmaßl fordert: Bürgerinteressen berücksichtigen

Tittmoning. „Die Magistrale Paris – Budapest ist ein Jahrhundertbauwerk für Europa“ betonte Altlandrat Hermann Steinmaßl beim Gespräch der Anlieger-Bürgermeister aus dem Landkreis Traunstein mit MdB Peter Ramsauer im Rathaussaal in Tittmoning am Dienstag Nachmittag. Verbindet der „bayerische Abschnitt“ in der Ausbaustrecke München – Mühldorf – Freilassing doch den Großraum München mit der bayerisch-österreichischen Grenzregion. Knapp 150 Kilometer Schiene, eine durchgehende Elektrifizierung und zweigleisiger Ausbau.

Doch es knirscht in den Ausbauplänen des im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans als „ABS 38“ geführten Projekts. Die betroffenen Städte und Gemeinden fühlen sich von der Bahn in den Planungen übergangen. Alternativen fehlen oder werden nicht bekannt gegeben, Kosten könnten die Gemeindefinanzen überfordern, so die einhellige Überzeugung und Kritik der Bürgermeister. Hilfe sucht man nun in einem Zusammenschluss sowie einem koordinierten Verhalten – und auch die Bundespolitik soll helfen.

Gastgeber Tittmonings 1. Bürgermeister Andreas Bratzdrum (CSU) machte deutlich, dass man in den Gemeinden gleichermaßen gefordert sei, für die Bürger das beste Ergebnis zu erwirken. Dazu gehöre neben dem Schutz der Bevölkerung (Schallschutz aber auch Sicherheitsgewinn bei Aufhebungen von Bahnübergängen) vor allem auch dass der gemeindliche Kostenanteil diese nicht überfordern dürfe. Wie knifflig die Maßnahme gerade in dem Abschnitt ab Garching (Alz) bis Freilassing ist, werde alleine schon dadurch deutlich, dass man hier 19 Straßenüberführungen und 53 Eisenbahnüberführungen habe, die ausgebaut werden müssten und sich auf der Strecke drei Haltepunkte (Kirchweidach, Kirchanschöring und Surheim) sowie vier Bahnhöfe (Tittmoning-Wiesmühl, Fridolfing-Götzing, Laufen und Freilassing) befinden, betonte Traunsteins Altlandrat Hermann Steinmaßl, der den Dialog koordiniert und den Status Quo in einer Präsentation zusammengefasst hatte.

Er machte deutlich, dass man die großen, übergeordneten Ziele der Deutschen Bahn und der Bundesregierung mit der Ertüchtigung der Strecke unterstütze. Dennoch müsse man kritisch hinterfragen, welche Verbesserungen dadurch die Menschen vor Ort bekämen und wie man bei der ganzen Maßnahme mit den Kommunen umgehe, wobei er deutliche Kritik an der Informationspolitik der Bahn äußerte. Mit entscheidend sei auch, ob der Nahverkehr durch den Ausbau gewinne und ob sich die Kostenbeteiligung der Kommunen in einem erträglichen Rahmen hielten. „Die Forderung lautet ganz klar: Mehr Information und bei solch großen Vorteilen für den Freistaat, die Bundesrepublik und ganz Europa darf das Ganze nicht zu Lasten der Kommunen gehen“ so Hermann Steinmaßl. Dies gelte gerade für die vielen „Jahrhundertbauwerke“ – müsse man doch mit dem Ausbau langfristig in die Zukunft denken und planen. Der „Blick in die Zukunft“ müsse für die Kreuzungsbauwerke genauso gelten, wie für die Berücksichtigung der Bürgerinteressen.

Wie irrational sich daneben die Kostenproblematik auswirken könne machte er zusammen mit Tittmonings Rathauschef Andreas Bratzdrum deutlich. Die grundsätzlichen Überlegungen zwei Haltepunkte aufzulösen und Einen dafür größer auszubauen führe dazu, dass die Gemeinde damit an allen drei Projekten kostenmäßig beteiligt werde. „Wenn Bürgermeister und Gemeinden ein grundsätzliches „Ja“ zu dem Ausbau haben, darf das von der Bahn nicht ausgenutzt werden“ monierte Altlandrat Hermann Steinmaßl.

Ramsauer: Bündelung der Gemeindeinteressen

Bundesverkehrsminister a.D. Peter Ramsauer betonte, dass er alleine in dieser Legislaturperiode bisher sechs Termine in Sachen ABS 38 durchgezogen habe, wozu auch sein engagiertes Eintreten für den durchgehenden zweigleisigen Ausbau und Elektrifizierung gehörte. Er berichtete von einer Videokonferenz im Februar diesen Jahres, in der er die teilnehmenden Bürgermeister zusammen mit Staatssekretär Stephan Mayer aus dem Nachbarwahlkreis Altötting ermutigt hat, ihre Wünsche und Forderungen nochmals zu Papier zu bringen und mit dieser Bündelung an die Bahn heranzugehen.

Einig waren sich die Beteiligten, dass die Magistrale inklusive der ABS 38 verkehrsrechtlich eine ähnliche Bedeutung wie der Nordzulauf zum Brenner-Basistunnel habe, wobei auch hier zu klären sei, ob die ABS 38 eine Ausweichstrecke für den Basistunnel sei. Peter Ramsauer sah in den aktuellen Tunnelplanungen im Inntal einen Vorteil für das heimische Schienenprojekt: „Je weiter man dort über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht, desto mehr muss das auch zum Maßstab für die Planungen an der ABS 38 gelten!“.

Ein besonderes Augenmerk legte Fridolfings 1. Bürgermeister Johann Schild (SPD) auf die Thematik Barrierefreiheit beziehungsweise auf den barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten mit der heutigen Zeit nicht mehr Schritt.“ Sein Fridolfinger Bürgermeister-Vize Wolfgang Grösch (CSU) legte nach: „Das muss gemacht werden. Wenn man mag, lässt sich das realisieren.“ Kirchanschörings Gemeindeoberhaupt Hans-Jörg Birner (CSU) machte sich Sorgen, dass das neue „Planungs-Beschleunigungsgesetz“ dazu führen könne, dass die DB Netze ohne größeren Dialog mit den Gemeinden in die nächste Planungsstufe gehe. „Wir kennen die Voruntersuchungen nicht“ übte auch er Kritik an der Informationspolitik der Bahn. Er hoffe bei einem anstehenden Termin im Juli auf eine geänderte Informationspolitik. Im Nachgang zu der Besprechung wolle er die Bürger seiner Gemeinde über den Planungsstand informieren.

Peter Ramsauer erneuerte nochmals seinen Vorschlag bei gleichzeitigem Hinweis auf die zeitliche und inhaltliche Dringlichkeit, die operativen Wünsche und Standpunkte der betroffenen Gemeinden zusammenzufassen und diese im Nachgang parallel an die DB Netze wie auch das Bundesverkehrsministerium weiterzureichen. Einig waren sich die Anwesenden, dass man mit Altlandrat Hermann Steinmaßl auf einen Fachmann mit langer Projektkenntnis zurückgreifen könne, der die jeweiligen gemeindlichen Forderungen und Wünsche gut zusammenfassen könne und den entsprechenden Katalog, in dem sich über die gemeindespezifischen Planungen hinaus allgemeine grundsätzliche Forderungen an Bahn und Bund wiederfinden, entsprechend aufbereiten solle.