Diskussion um bürgerfreundlichen Bahnausbau- Vieles ist möglich

Kirchanschöring. Durch Kirchanschöring führt eine kleine Trasse, ein paar Dutzend Züge fahren hier am Tag vorbei. Doch nun will die Deutsche Bahn die Strecke ausbauen, um mehr Güter- und Personenverkehr durch den Ort lotsen zu können. Die Anwohner rechnen mit starken Belastungen, fürchten um ihre Ruhe und Lebensqualität sowie um die Störung des Ortsbildes durch unpassende Brücken, Unterführungen oder durch meterhohe Schallschutzwände, wenn die Strecke in weiten Teilen zweigleisig und elektrifiziert ist. Anlass zur Sorge bietet die Tatsache, dass der dritte Abschnitt der Ausbaustrecke (ABS) 38, Tüßling- Freilassing, im letzten Herbst als Projekt ABS 38 im Bundesverkehrswegeplan überraschenderweise vom „potenziellen Bedarf“ in den „vordringlichen Bedarf“ hochgestuft worden ist.

Weil das Vorhaben die Gemüter doch sehr bewegt, lud der CSU-Ortsverband Kirchanschöring mit Rudi Roider an der Spitze gemeinsam mit dem CSU-Frauen-Union- Ortsverband Kirchanschöring und dem CSU-Ortsverband Fridolfing zu einer gut besuchten Diskussionsveranstaltung in den Salitersaal ein. Willkommen hieß man dazu auch den CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Ramsauer, der nun Rede und Antwort stand.

Als mitgestaltende Gemeinde liegt Kirchanschöring sehr viel daran, dass die Güter auf die Schienen kommen, gleichzeitig ist es ihr wichtig, dass der notwendige Ausbau nachhaltig und bürgerfreundlich umgesetzt wird. Vom politischen Verantwortungsträger, Peter Ramsauer, erwartet die Gemeinde Kirchanschöring, dass er sie bei ihrem Anliegen unterstützt. Kirchanschöring fordert einen für alle Bewohner zufriedenstellenden Lärmschutz, eine gute Kreuzungslösung und möchte auch seinen Haltepunkt behalten.

Aktuell zeichne sich dafür nur eine Tunnel- oder Trog-Lösung mit Deckel ab, sagte Bürgermeister Hans-Jörg Birner nach dem Grußwort durch Rudi Roider zu Beginn der Veranstaltung. „Es hat die Kirchanschöringer eiskalt erwischt, als sie von der Höherstufung erfuhren.“ Was dies bedeute, könne man an den von der Bahn vor Jahren erstellten Modellen sehen, die noch immer auf dem Dachboden des Rathauses lagern: „Die sehen ein riesiges Brückenbauwerk oder eine Unterführung unter der Bahntrasse vor, die man keineswegs in den Ortskern einbinden kann.“ Ebenerdig werde es wohl auch nicht gehen. Offensichtlich sei aber doch vieles möglich, wie man im Nachbarland sehe: Wenn in Österreich die Bahn durch einen Ort führe, senke man die Gleise oft einfach in die Tiefe. „An wen aber soll sich Kirchanschöring wenden, wenn es sich Ähnliches vorstellt?“, wollte Birner zunächst wissen, der, wie er betonte, zwar hinter dem Ausbau steht, aber dadurch momentan nur Nachteile für die Kirchanschöringer sieht.

Peter Ramsauer, der ab 2009 vier Jahre lang auch Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung war, schilderte dann anschaulich, was es mit dem Ausbau auf sich hat, und gab einige Tipps, wie sich die Gemeinde verhalten soll, um zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen. Der Abgeordnete bat, den Ausbau sachlicher und gelassener zu sehen. Zugleich stimmte er sehr zuversichtlich, dass es doch einen gewissen Handlungsspielraum gibt, den es zu nutzen gilt.
„Das Projekt, das mehrere Planungsphasen durchläuft, befindet sich aktuell erst in der Vorplanung, in der im Grunde noch nichts konkret entschieden ist“, sagte Ramsauer. Spätestens bis zum Jahr 2030 solle tatsächlich mit den Planungen begonnen werden. Bis es also zum Planfeststellungbeschluss komme, dauere es erfahrungsgemäß noch acht bis zehn Jahre. Danach könne es zwar schnell gehen, beim Abschnitt Tüßling-Freilassing sei jedoch damit zu rechnen, dass das Planverfahren nicht konfliktfrei über die Bühne gehe. Es sei zu befürchten, dass Klagen vor Gericht die Sache zeitlich in die Länge zögen.
Daher sei Kirchanschöring gut beraten, wenn sie die Planungsphase möglichst konfliktfrei halte und schon jetzt damit beginne, Bürgerbeteiligungen zu bilden, Diskussionen zu führen und sich mit den anderen betroffenen Gemeinden zusammentun. Dabei dürfe man auch durchaus Fantasien für Alternativen zu den vorgestellten Bahnausbauplänen entwickeln. Nichts sei von vorneherein ausgeschlossen, weder eine Tieferlegung der Gleise noch eine Tunnellösung. Kirchanschöring sei nicht der erste Ort, der nach einer guten Lösung verlange. „Es gibt durchaus realisierbare Möglichkeiten, damit das Ortsbild nicht allzu sehr gestört wird.“ Zudem müsse man abwarten, welche Ausbau- und Lärmschutz-Standards im Inntal, wo ähnliche Betroffenheit herrsche, geschaffen werden, wenn die Zulaufstrecken mit mehreren Tunnels zum Brenner-Basistunnel realisiert werden. Auf diese Fälle könne man dann in der hiesigen Region Bezug nehmen. Die Standards aus dem Inntal könne man auch in die Nachbarregion übertragen, sofern hier alle einig seien. Das sei der optimale Fall. Falls man dies schaffe und alles in trockenen Tüchern ist, könne der Bundesrechnungshof, der das Vorhaben auf Wirtschaftlichkeit prüfe, immer noch Nein sagen. Der Rechnungshof leite seine Prüfungsfeststellungen an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Beratung weiter. „Und hier muss man sich dann letztlich durchsetzen.“ Zunächst seien aber das Eisenbahn-Bundesamt und die Regierung von Oberbayern die zuständigen formellen Genehmigungsbehörden, mit der im Vorfeld alles geklärt werden müsse, so Ramsauer.

Wie Ramsauer betonte auch Alt-Landrat Hermann Steinmaßl, dass man die Güter auf die Schiene bringen müsse, wobei die Probleme, die dabei entstehen, durchaus im Konsens lösbar seien. Er bestätigte, dass es heute nicht mehr so sei wie früher, als Vorschläge oft sofort verworfen wurden. Noch stehe ausreichend Zeit zur Verfügung, um darüber nachzudenken, wie die betroffenen Orte im gemeinsamen Verbund vorgehen möchten. Nicht immer müsse man tieferlegen, „manchmal kann man auch außen herumfahren“. Man darf also auch über eine Verlegung der Schienen an den Ortsrand nachdenken.

Aus den Zuhörerreihen meldete sich Irmgard Huber als erstes zu Wort. Sie wohnt genau gegenüber dem Bahnhaltepunkte Kirchanschöring und begrüßte den kürzlich eingeführten Stundentakt im Personennahverkehr, den sie gerne und regelmäßig nutze, weil dieser eine optimale Anbindung an wichtige Orte biete. Zudem erkundigte sie sich nach den Möglichkeiten der Gemeinde, auf die Planungen einzuwirken. „Wenn nämlich der Ausbau in erster Linie nur dazu dient, um den Gütertransport zu verbessern, hat dies doch keinerlei Vorteile für die Ortsbewohner.“ Der bringe ihnen außer Lärm und einer Verschandelung des Ortbildes gar nichts, meinte Frau Huber. Daher wäre sie, wie sie mit Nachdruck sagte, „auch bereit, alles dafür zu tun, damit uns das erspart bleibt.“ Man dürfe nicht abwarten, sondern müsse schon in der jetzigen Vorplanungsphase etwas tun. So wünschte sie sich, dass Kirchanschöring Alternativplanungen erstellen solle, ansonsten käme für sie nur ein Tunnel infrage.

Bürgermeister Hans-Jörg Birner fand die Idee gut, dass die Gemeinden selbst planen dürfen. „Dafür müssen wir aber wieder Geld in die Hand nehmen.“ Falls es überhaupt möglich ist, dass die Gemeinde für diesen Fall einen eigenen Planer beauftragen kann, hätte er gerne gewusst, ob es dafür staatliche Unterstützung gibt. Diese Frage blieb aber offen.

Daran, dass Kirchanschöring schon vor knapp 30 Jahren eine Tunnellösung favorisiert hat, erinnerte Manfred Schlagbauer. Schon damals habe die Bahn abgewunken, da dies ihren Kostenrahmen gesprengt hätte. Falls Kirchanschöring dennoch einen Tunnel wünsche, müsse die Gemeinde die Mehrkosten selbst tragen, habe es seinerzeit geheißen.

Ludwig Obermeier aus Laufen teilte mit, dass die Bahnlinie München-Freilassing laut einem Zeitungsbericht im Bundesverkehrswegeplan mit einem Kosten-Nutzen-Faktor von 1,3 eingestellt ist. Dr. Marcel Huber habe in diesem Bericht vor übertriebenen Forderungen gewarnt: Mit fünf Trogbauwerken sei dieser Kostenfaktor dahin und damit die Baumaßnahme infrage gestellt.

Ramsauer meinte, man könne viel rechnen. „Das wäre aber das erste Projekt in meiner politischen Zeit, das finanziell nicht höher ausgefallen ist, als ursprünglich geplant.“ Meist sehe die Planung am Ende schon ganz anders aus als am Anfang: „Also holt euere Modelle vom Dachboden runter.“

Michaela Stockhammer brachte in Erinnerung, dass der Vertreter der Bahn auf der örtlichen Infoveranstaltung auf ein begrenztes Budget hingewiesen hat. Wenn der finanzielle Rahmen schon abgesteckt sei, entstünde das Gefühl, dass die Dörfer zwar mitreden, aber letztlich nichts mehr mitentscheiden dürften.

Robert Aigner aus Fridolfing machte deutlich, dass ein strategisches Vorgehen wohl die richtige Art sei, voranzukommen: „Zusammenschließen und unsere Interessen gemeinsam vertreten“, empfahl auch er.

Ramsauer schloss sich diesem Rat an: „Die Bürgermeister aus allen betroffenen Gemeinden sollten sich untereinander abreden und dann mit einer Stimme sprechen.“
Helmut Schmid verwies auf den enormen Anstieg des Güterverkehrs in den nächsten fünf Jahren. Schmid mahnte aber zur Vorsicht: „Wir müssen auch unseren Haltepunkt im Auge behalten, den man am Ende verlieren könnte, wenn man die Gleise tiefer legt.“
Worauf Birner bemerkte, dass man auf diesen keineswegs verzichten kann. Und Peter Ramsauer meinte, „beides ist machbar, Wanne und Haltepunkt“.

Die Standpunkte und Impulse von Peter Ramsauer stimmten die Anwesenden dann eher zuversichtlich, dass sich das Ringen um die bestmögliche Trassen- und Ausbauvariante für Kirchanschöring lohnt, wenn alle an einem Strang ziehen.